Pfarrer Richard Neumann, durch dessen Engagement die Freundschaft zwischen unseren beiden Pfarreien mitbegründet wurde, durfte in diesem Jahr sein Eisernes Preisterjubläum feiern: Am 1. August 1954 – vor 65 Jahren!! – wurde er im Hohen Dom zu Mainz zum Prieter Geweiht. Herzlichen Glückwunsch, alles erdenklich Gute und Gottes Segen zum Eisernen Priesterjubiläum

Vom 16.03.1955 Kaplan Dieburg bis zum 15.10. 1959 war er Kaplan und vom 15.06.1962 bis zum 15.03.1987 war er Pfarrer in Dieburg. Seit dem 01.09.2001 lebt Monsignore Pfarrer Neumann als Ruheständler wieder in Dieburg. Am 4. August 2019 durften wir um 10:00 Uhr in der Pfarrkirche St. Peter und Paul gemeinsam mit Domkapitular Jürgen Nabbefeld den Festgottesdienst zu diesem ganz besonderen Priesterjubiläum feiern. Aus diesem Anlass führte Christina Marx das folgende Interview mit ihm:

Herr Pfarrer Neumann: es ist ja bekannt, dass Sie gerne Klavier spielen. Was ist denn Ihr Lieblingslied?

Das ist schwer zu beantworten, denn ich spiele meist größere Musikstücke, vor allem Sonaten. Aber wenn Sie ein richtiges Lied meinen, dann fällt mir in dieser Zeit ein Kirchenlied ein. „Wir wollen alle fröhlich sein in dieser österlichen Zeit.“ Aber es gibt ja so viele schöne Kirchenlieder, natürlich auch modernere.

Also die modernen Kirchenlieder mögen Sie auch?

Natürlich, ja. Jede Zeit hat ihre besonderen musikalischen Ausdrucksweisen. Das ist ja das große Anliegen des Gotteslobs, nicht nur das Ältere und Alte sondern auch das ganz Neue. Das finde ich grade das Schöne am Gotteslob.

Sie feiern bald ihr 65-jähriges Priesterjubiläum. In dieser langen Zeit gab es sicher einige besondere Erlebnisse, die Ihnen im Gedächtnis geblieben sind. Momente, die Ihnen besonders gefallen oder Sie besonders berührt haben. Was haben Sie besonders gerne gemacht?

Ich habe immer gerne Gottesdienste gefeiert, in allen denkbaren Formen und mit allen Altersgruppen. Angefangen mit den Kindergottesdiensten und Jugendgottesdiensten. Gottesdienste zu feiern und die Frohe Botschaft zu verkünden gehört ja zu den wichtigsten Aufgaben der Kirche. Von Gott zu reden und zwar so, dass die Menschen spüren. Gott ist für mich eine Wirklichkeit, die Wirklichkeit überhaupt IHN bezeugen zu dürfen, das hat Christus uns vor seiner Himmelfahrt aufgetragen: „Ihr sollt meine Zeugen sein.“ Man kann sagen, Gott hat mit jedem Menschen etwas Einmaliges vor. Wenn ich als Priester dazu beitragen kann, dass Menschen durch die Predigt oder durch das persönliche Gespräch oder auf welche Weise auch immer erfahren, Gott will es auch mit mir zu tun haben, dann finde ich, ist das doch etwas ganz besonders Schönes und Wichtiges, gerade in der gegenwärtigen Situation, in der viele Menschen von vorneherein erklären: „Ich glaube nicht an Gott, aber mir fehlt auch nichts. Ich brauche keinen Herrgott, und ich brauche dann natürlich auch keine Kirche, wenn ich nicht an Gott glaube. Ich kann sehr gut ohne Gott, wie auch ohne Kirche leben“ Diese Mentalität scheint doch ziemlich weit verbreitet zu sein, hab ich den Eindruck. Und deshalb ist es so wichtig, dass jeder einzelne Christ sich persönlich angesprochen fühlt. Das ist für mich auch ein Anliegen bei den Predigten. In der Regel halte ich einen Gottesdienst mit Predigt in der Woche, häufig sonntags abends. Da versuche ich möglichst konkret deutlich zu machen, dass es auf jeden Einzelnen ankommt. Was heute ungemein modern ist, von der Kirche überwiegend das Negative zu sagen und nicht auch das entscheidend Positive herauszuheben. Dass die Kirche als die von Christus bestimmte Gemeinschaft der Erlösten die Aufgabe hat, Gott zu bezeugen und Menschen mit Gott in Verbindung zu bringen, vor allem durch die Feier der Sakramente. Die heilige Messe ist der Mittelpunkt und die übrigen Sakramente sollen im Letzen immer zur Eucharistiefeier, zur Feier der hl. Messe hinführen.

In jungen Jahren, als Kaplan und als junger Pfarrer, war es mir auch ein besonderes Anliegen, an Freizeiten mit Jugendlichen teilzunehmen und das hat immer zu den Höhepunkten im Laufe eines Jahres gehört. Das waren doch jedes Mal erlebnisreiche Tage. Ich denke, was für den Priesterberuf ganz wichtig ist, dass man bereit ist, mit den Menschen, für die man da zu sein hat, Freud und Leid zu teilen. Es gibt Gott sei Dank ja viele frohe Anlässe und freudige Ereignisse. Aber es gibt auch das Andere – und das gehört wesentlich dazu – die Begegnungen mit Kranken in der Gemeinde und natürlich auch mit Sterbenden. Früher, als es das Krankenhaus in Groß-Umstadt noch nicht gab und das St. Rochus Krankenhaus noch Unfallkrankenhaus war, da verging keine Woche, in der wir – Pfarrer und Kaplan bzw. Kapläne, nicht ins Krankenhaus zu Schwerkranken und vor allem auch im Zusammenhang mit Unfällen gerufen wurden. Und damals war das noch üblich, dass man sehr häufig auch nachts geholt wurde. Und weil das Telefon bei mir im Zimmer stand, war es meist Sache des Pfarrers nachts rüber ins Rochus zu gehen. Die Sorge um Menschen in Krankheit, ist ein ganz wesentliches Element. Was ich mir bei meiner Priesterweihe und bei der Primiz als besonderes Wort aus der Hl. Schrift ausgesucht hatte, das war ein Wort aus dem Hebräerbrief in dem von Jesus gesprochen wird: „Er ist aus den Menschen gekommen und ist für die Menschen da.“ Und das sollte im Grunde ja auch jeder Priester als wesentlich für sein Wirken und sein Tun als Priester sehen. Wir Priester sind Menschen wie alle anderen auch. Wir haben alle unsere Schwächen und unsere Fehler. Wir sind alle auch Sünder, und obwohl ja Gott weiß, dass es keine Menschen ohne dunkle Seiten, ohne Schattenseiten gibt, hat er Menschen ausgesucht und auch gerufen, um für andere da zu sein. Also, diese Spannung, aus den Menschen genommen, um für die Menschen da zu sein, um mit ihnen Freud und Leid einfach zu teilen…

Sie waren schon Priester, bevor das 2. Vatikanische Konzil stattgefunden hat. Damals wurde der Gottesdienst noch gehalten, indem der Pfarrer mit dem Rücken zur Gemeinde stand und auf Latein. Seither hat sich viel verändert. Wie haben Sie das erlebt?

Ich wurde 1954 geweiht. Da hat die Kirche in vielerlei Hinsicht noch ein anderes Gesicht gehabt. Die Gottesdienstsprache war Latein. Nur Lesungen, Evangelium und die Predigt waren deutsch. Und dann kam für alle in der Welt völlig unerwartet die Ankündigung eines Konzils. In den ersten Jahren danach war ein gewaltiger Umbruch und Aufbruch in der Kirche zu erleben. Auf allen Ebenen. Es hat sich Vieles geändert, was sich auch deutlich darin gezeigt hat, dass in den ersten Jahren nach dem Konzil sehr viele junge Menschen in die Priesterseminare und in die Ordenshäuser eingetreten sind. Aber in den 1970ern sind die Zahlen zurückgegangen. Heute haben wir ja eine besonders schwierige Situation, was den Nachwuchs angeht, sowohl für Priester und Ordensberufe, aber auch für die neuen kirchlichen Berufe Gemeindereferentin und Gemeindereferent, Pastoralreferentin und Pastoralreferent, das war etwas ganz neues. Da gab es viel Zuspruch, viele Frauen und Männer, die diese Aufgaben übernommen haben. Auch da haben wir jetzt die Situation, dass die Zahlen deutlich rückläufig sind. Das haben wir ja hier bei den Kapuzinern erlebt. In der Zeit des Konzils und danach, da kamen auch die Pfarrgemeinderäte auf. Ich kann mit guten Gewissen sagen, dass es mir immer ein großes Anliegen war, gerade mit Hilfe der Pfarrgemeinderäte die neuen Anliegen des 2. Vatikanischen Konzils sozusagen in die Pfarrgemeinde hineinzubringen. Das bedeutet zum Beispiel auch, dass die Laien in der Kirche ganz anders eingestuft wurden und ich denke, auch bis heute eingestuft werden, dass sie nicht einfach die sind, die auf das zu hören haben, was der Klerus sagt, sondern, dass es hier eine echte Zusammenarbeit und Mitverantwortung der Laien gibt. Das ist heute eines der ganz großen Themen. Und das gehört auch zu dem neuen Pastoralen Weg, den unser Bischof im Bistum begonnen hat und der jetzt gemeinsam gegangen werden soll. Kennzeichen dieses neuen Pastoralen Wegs ist ganz entscheidend, dass die Mitverantwortung der Laien einen ganz großen Stellenwert hat und haben muss.

Nachdem wir nun viel über Ihren Beruf geredet haben, möchte ich gerne eine Frage an den Privatmann Richard Neumann stellen: Haben Sie noch Pläne?

Keine konkreten. Ich bin dankbar für jeden Tag, den ich noch erleben kann. Ich bin ja mittlerweile im 90. Lebensjahr, und von meinen Klassenkameraden, mit denen zusammen ich Abitur gemacht habe im Jahr 1948, leben von 22 gerade noch vier. Das ist ein Zeichen, dass es nicht selbstverständlich ist, das 90. Lebensjahr überhaupt zu erreichen! Ich bin froh, wenn ich noch in der Weise leben kann, wie es eben der Fall ist. Mein einziger Wunsch ist der: Jeden Morgen zu erkennen: „Was hat Gott wohl heute mit mir vor“. Was ich als seinen Willen erkenne, will ich mit Freude tun.